Hast Du schon ein polnisches Weihnachtsfest erlebt? Gerne nehme ich dich auf eine kurze Reise in die Welt der polnischen Weihnachtstraditionen und Bräuche mit.
Jede Familie zelebriert Weihnachten und das Weihnachtsfest anders. Denn jede Familie ist einzigartig und pflegt und entwickelt ihre eigenen Traditionen und Bräuche.
So ist das Weihnachtsfest in meiner deutsch-polnischen Familie ebenfalls einzigartig und ganz besonders. Seit beinahe 25 Jahren pflege ich nämlich die Weihnachtstraditionen aus meiner polnischen Heimat. Denn das polnische Weihnachtsfest ist schon ganz speziell.
Das polnische Weihnachtsfest – das Familien-Event des Jahres!
Der Heiligabend ist in ganz Polen das wichtigste Familienfest im ganzen Jahr. Festlich angezogen versammeln sich alle Familienmitglieder nach Einbruch der Dunkelheit zu einem gemeinsamen und sehr feierlichen Abendfestmahl – wigilia (von lat. vigilare, wachen).
Traditionell servieren die Polen an diesem Abend ein Menü aus 12 vegetarischen Gerichten. Die Zwölf steht für zwölf Apostel oder zwölf Monate. Jedem dieser Gerichte wird viel Symbolik zugeschrieben und man soll von jedem der zwölf Gerichte etwas probieren. Das bringt Glück, Reichtum und Gesundheit im kommenden Jahr!
Vor dem Abendessen wird die in der Kirche gesegnete Oblate mit allen Gästen „gebrochen“ und man wünscht sich dabei gegenseitig Glück und Gesundheit. Die Oblate ist ein Symbol für Vergebung und Einigung, ein Zeichen der Freundschaft und Liebe.
An diesem Abend pflegen die Polen eine weitere unheimlich schöne Tradition: Ein freies Gedeck für einen Einsamen oder unerwarteten Gast.
Die Zutaten, die Gerichte und der Ablauf
Am 24. Dezember dreht sich in den polnischen Familien alles ums Essen.
Fisch – Hering, Karpfen oder andere Süß- oder Meerwasserfische, Sauerkraut, Mohn, getrocknete Waldpilze, Rote Beete, Honig und Dörrobst sind die wichtigsten Zutaten für das polnische Weihnachtsessen.
Es sind alles regionale Lebensmittel, die früher im Winter in jeder Vorratskammer gelagert wurden. Fermentieren und Dörren waren die einzigen Konservierungsmethoden und erleben heute auch in Deutschland ihre Renaissance.
Zuerst wird Rote Beete Suppe mit Uszka (Miniteigtaschen – uszka auf polnisch Öhrchen) gefüllt mit Waldpilzen, Piroggen (die großen Teigtaschen) mit Sauerkraut-Pilz-Füllung und Sauerkraut-Eintopf (bigos) serviert. Die Uszka und Piroggen werden in mühseliger Handarbeit mit den Händen geformt. Danach folgen Fischgerichte in vielen Variationen, süße Mohnnudeln und Mohn- oder Lebkuchen. Kompott aus Dörrobst gewürzt mit Nelken und Zimt reicht man anschließend.
Die Gerichte variieren stark von Region zu Region. Und es ist für jede Mutter eine Selbstverständlichkeit, dass ihre Töchter diese Tradition fortführen und die Gerichte auch kochen können.
Nach dem Essen gibt es im Anschluss die Bescherung.
Ein gemeinsamer Spaziergang danach endet oft mit einem Kurzbesuch bei Bekannten oder Verwandten. Die frommen Polen gehen um Mitternacht in die Kirche. Polen ist schließlich ein katholisches Land.
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Die Vorbereitungen
In Polen beginnen die Vorbereitungen für den Heiligabend bereits mehrere Wochen davor. Schließlich sammelt man die Pilze im Herbst. Die meisten Polen sind ausgezeichnete Experten auf diesem Gebiet. Diese Pilz-Kunde wird in den Familien gepflegt und weitergegeben. Ich habe die Leidenschaft fürs Pilzesammeln leider nicht entwickelt. Deshalb bin ich auf die Verwandtschaft angewiesen und werde von ihnen mit Pilzen rechtzeitig versorgt.
An dem Ablauf, den Gerichten und den Zutaten an diesem Abend ändert sich nichts. Eine reine Routine! Mit der Frage: „Was kochst du in diesem Jahr?“ beginnt dennoch fast jedes vorweihnachtliche Gespräch unter den Schwestern, Tanten oder Freundinnen. Die Rezepte und Kochtipps werden ausgetauscht. Eine Art von Brainstorming!
Und es ist ebenfalls wichtig, dass niemand diesen Abend alleine verbringt. Deshalb fragt man Verwandte oder Freunde, wie und wo sie den Heiligabend verbringen.
Das Weihnachtsfest bei der kapelusch-Familie
So ähnlich läuft das Weihnachtsfest in meiner deutsch-polnischen Familie ab.
Wenn wir Weihnachten in Deutschland verbringen, gestalte ich das Weihnachtsfest etwas minimalistischer. Wir kochen nicht mehr alle zwölf Gerichte, sondern nur das, was uns besonders gut schmeckt. Den Hering gibt es nur auf ausdrücklichen Wunsch. Auf den sonst obligatorischen Karpfen verzichten wir grundsätzlich.
Der Karpfen-Kult wurde durch die kommunistische Regierung in der Nachkriegszeit per Dekret eingeführt. Die Anzucht war kostengünstig und unkompliziert und der Massenproduktion stand nichts im Wege. Nach dem Motto „Zu Weihnachten Karpfen auf jedem polnischen Tisch“. Vielleicht ist das der Grund, warum ich diesen Fisch nicht mag?
So biegt sich der Tisch bei uns nicht mehr, wie die polnische Tradition es möchte.
Wie die meisten Polen koche ich diese Gerichte wirklich nur für das Weihnachtsfest. Und freue mich jedes Jahr aufs Neue auf diesen Abend. Für jede polnische Mutter ist es die höchste Priorität, diese Tradition am Leben zu erhalten. Auch für mich.
Persönlich habe ich zur katholischen Kirche keine Bindung mehr. Dennoch spielen für mich die christlichen Weihnachtstraditionen aus meiner Heimat eine wichtige Rolle. Sie bedeuten Halt, Geborgenheit und Toleranz. Das Zusammenrücken an diesen Abenden machte es den Polen möglich, die harten Zeiten durchzustehen. Und jeder wunderte sich, wie sich die Tische trotzdem biegen konnten, obgleich der tiefen wirtschaftlichen Krise, die mehrere Jahrzehnte dauerte.
Nun bin ich sehr pathetisch geworden. Hoffentlich nimmst Du es mir nicht übel.
Ich wünsche Dir besinnliche Weihnachten. Gerne kannst Du schreiben, welche besonderen weihnachtlichen Rituale und Traditionen es in deiner Familie gibt.
Eure Alicja
P. S. Laut einer Überlieferung sprechen die Haustiere in der Weihnachtsnacht. Wer weiß? Vielleicht funktioniert das auch bei uns in Deutschland. Bleib deshalb wach und hör gut zu, was dein Familienhund mitzuteilen hat.
Liebe Alicja,
ich habe eben deinen Post gelesen. Danke, dass ich etwas über die polnischen Weihnachtstradition erfahren konnte. Es ist schön, dass du auch daran festhältst. Ich finde Weihnachten ist nur schön, wenn irgendwie alles so ist wie immer. So wie es für mich als Kind war, so möchte ich es auch für meine Kinder. Wir feiern immer bei meinem Bruder. Es kommen alle zusammen und es ist immer ein lustiges und trotzdem besinnliches Fest.
Liebe Grüße
Silke
Liebe Silke,
schöne Traditionen sollten gepflegt und an unsere Kinder weitergeben werden. Sie bilden unsere Identität.
Alicja