Seit der Premiere von Findet Nemo im Mai 2003 haben sich unzählige Kinder und deren Eltern sowie die Großeltern diesen Film angesehen. Die dadurch ausgelöste Begeisterung für die Welt der Korallenriffe dauert bis heute an. Davon konnte ich mich sogar persönlich überzeugen: beim ,Abtauchen‘ in die Unterwasserwelten von Great Barrier Reef.
Das große Barriere Riff erleben
Der Gasometer in Pforzheim präsentiert das atemberaubende 360°- Panorama von Great Barrier Reef vor der australischen Küste. Der Künstler Yadegar Asisi ist der Urheber dieses beeindruckenden Spektakels aus Bild, Licht und Musik. Wie ein Riesenwimmelbild sieht diese 35 m hohe Installation aus und zeigt in naturalistischer Größe die Schönheit dieser geheimnisvollen und empfindlichen Unterwasserwelt.
Den Gasometer als Industriedenkmal für zukünftige Generationen zu erhalten und behutsam zu renovieren, ist lobenswert. In Zeiten vom Klimawandel, endlosen Diskussionen um die Energiewende und die Nutzung der fossilen Rohstoffe ist dieser Industriebau gerade prädestiniert für diese Ausstellung.
Zwischen den Vitrinen im Foyer des Gasometers laufen kleine und große Besucher und bestaunen Skelette der Tellerkorallen oder der Buschkorallen. Auf dem Boden liegen Kinder in Grüppchen und füllen ohne zu zögern die Wissensfragebögen aus. Schließlich kennen sie sich mit den Unterwasserwelten gut aus.
Die meisten Besuchernasen ,kleben‘ jedoch an den Aquarien. Zu recht, denn in den Aquarien voller Korallen und Anemonen schwimmen Clownfische, als Nemo berühmt geworden, und Paletten-Doktorfische, alias Dorie.
Ich laufe mehrmals zu den Aquarien in der Hoffnung, dass ich irgendwann endlich ungestört diese Wunder der Natur Filmen kann. Die eleganten Bewegungen der Anemonententakeln ziehen mich magisch an. Die sagenhaften Formen und enorme Farbenpracht der Korallen faszinieren mich. Nicht nur wegen meiner ,marinen Vergangenheit‘. Schließlich bin ich am Meer aufgewachsen
Nemos Vater oder doch Schwester – komplizierte Verwandschaftsverhältnisse
Was die Macher von Findet Nemo eventuell nicht wussten, ist eine Besonderheit der Clownfische. Oder haben sie vor lauter Prüderie dem minderjährigen Publikum verschwiegen, dass Anemonenfische intersexuell sind?
Stirbt das Weibchen einer Gruppe, verwandelt sich das nächst größere Männchen zum Weibchen. Nach dieser Regel/diesem Naturgesetz könnte der Vater von Nemo nach dem Tod seiner Frau die nächste Geschlechtspartnerin von Nemo sein. Diese Geschlechtsumwandlungen im Korallenriff sind nichts Ungewöhnliches. Sie haben einen Vorteil: Die Fische müssen ihre schützende Anemone nicht verlassen, um sich ein neues Weibchen zu suchen. Diese Überlebensstrategien haben insbesondere Korallenfische gegen ihre natürlichen Feinde entwickelt. Doch diese Taktik hilft nicht gegen die viel größeren Gefahren, die von uns Menschen ausgehen.
Warum Korallenriffe wichtig sind
Das Meer ist mit Abstand der größte Lebensraum auf unserem Planeten. Alleine wegen des darin lebenden Planktons ist dieser Lebensraum für die Menschen wichtig: denn 50 – 80% des Sauerstoffes, den wir in München oder Stuttgart einatmen, produziert Plankton. Korallenriffe sind die größten von Tieren, den Korallenpolypen geschaffene Strukturen. Sie bedecken nur 1% des gesamten Meeresbodens. Dennoch gelten sie als der artenreichste Lebensraum und werden deshalb auch Kinderstuben der Meere genannt. Denn einem Viertel aller Fischarten bieten sie einen Lebens- und Schutzraum. Dazu kommen Schnecken, Schwämme, Seeigel, Schildkröten oder Algen.
Eine weitere wichtige Funktion der Korallenriffe ist die Bindung von Kohlenstoff. Einzellige Algen, sogenannte Zooxanthellen, befinden sich in einer symbiotischen Beziehung mit den Korallen. Sie leben in deren Körpern und betreiben mit Wasser, Licht und Kohlenstoff Fotosynthese, ernähren so die Korallen mit Zucker und Stärke und produzieren Sauerstoff. Im Gegenzug profitieren die Algen vom Schutz in den Körpern der Korallen und deren Abfallprodukten.
Korallen produzieren darüberhinaus den Sand der Strände und die Riffe schützen die Küsten vor den Sturmfluten und Erosion. Substanzen, die die marinen Lebewesen produzieren, sind für die medizinische Forschung besonders interessant.
Die Bedrohung
Die Korallenriffe sind die artenreichsten Ökosysteme der Welt, solange sie intakt sind. Doch der Klimawandel, exzessive Fischerei oder Plastikvermüllung gefährden diese Unterwelten.
Korallenbleiche
Die ideale Wassertemperatur für Korallenriffe in den tropischen und subtropischen Gebieten beträgt zwischen 21°C und 28°C. Durch die globale Erwärmung steigen auch die Temperaturen in den Riffen. Die Algen produzieren dann Giftstoffe und die Korallen stoßen sie ab. Ohne Algen, die für die Farbenpracht verantwortlich sind, bleichen die Korallen aus. Dauert der Zustand länger, sterben die Korallen ab.
Kunststoffe und Chemikalien
Die Korallenpolypen verwechseln die spröde geworden Plastikteile mit der Nahrung und können dadurch erkranken. Die in Plastik enthaltene Zusatzstoffe wie Weichmacher, Bisphenole (BPA), Stabilisatoren oder Flammschutzmittel gelangen ins Wasser und schädigen die Tiere und die Pflanzen. Schleppernetze, illegal entsorgte Fischernetze oder verlorene Angelschnüre zerstören die Korallenriffe mechanisch.
Ölpest durch Unfälle und Lecks
An die Explosion der Bohrinsel Deepwater Horizon im Jahr 2010 können sich die meisten von uns nicht mehr erinnern. Bis das Ölleck provisorisch abgedichtet wurde, gelangten schätzungsweise 800 Millionen Liter Rohöl und Erdgas in die Bucht von México. Diese Ölpest gilt als eine der schwersten Umweltkatastrophen. Im Januar 2022 löste der Vulkanausbruch im Pazifik Tsunami-Wellen aus. Diese verursachten eine neue Umweltkatastrophe. Aus einer Ölraffinerie trat Öl aus, spülte den Öltteppich vor die Küste Perus und verseuchte die Strände, das Meer und tötete Vögel und Mikroorganismen. Derartige Katastrophen sind ,Nebenwirkungen‘ der steigenden Polyesterfaserproduktion.
Massentourismus
Die Korallenriffe sind außerdem ein Touristenmagnet und somit eine wichtige Einnahmequelle der einheimischen Bevölkerung. Doch der Massentourismus ist zum Problem geworden. Die unachtsamen Taucher zerstören die Riffe, nicht zuletzt durch die Chemikalien in den Sonnecremes. Mit dem Kassenerfolg von Findet Nemo stieg auch die Zahl der Aquarienliebhaber. Sie tragen somit wissentlich oder unwissentlich zur Korallenbleiche und Artenaussterben bei. Die Methoden, mit den die exotischen Fische gefangen werden, sind grausam.
Laut einer Studie hat das Great Barrier Reef innerhalb von 25 Jahren die Hälfte seiner Korallen verloren.
Für mehr Meer und Zukunft
Für mehr Informationen über die faszinierende Welt der Korallenriffe und der Ozeane empfehle ich das Buch Das blaue Wunder der Meeresbiologin, Dr. Frauke Bagusche. Sie gewährt Einblicke in das erstaunliche Leben der Meeresbewohner. Achtung: Ihre Geschichten sind nicht immer für die Kinderohren bestimmt. Und möglicherweise wissen deine Kinder bereits, dass der Spruch ,stumm wie ein Fisch‘ auf die Fische doch nicht zutrifft. Denn die Fische brummen, knuspern, knurren, fauchen und Heringe…. furzen. Auch eine Art der Kommunikation.
,Nur wenn wir unsere Umwelt und ihre Funktionsweise verstehen, können wir die notwendigen Entscheidungen für ihren Schutz treffen.‘ (Kofi Annan, ehem. UN-Generalsekretär)
Deine Alicja von kapelusch