Das winzige Virus hat im März für ein besonderes Jubiläum gesorgt:
ein Jahr Corona-Pandemie! Ein Jubiläum, das wir am liebsten schnell vergessen möchten. Doch die Pandemie wird uns noch eine Weile begleiten. Manche Experten sagen, dass das Virus uns nicht mehr verlassen wird. Keine angenehme Perspektive! Ein Gesprächsthema bleibt es allerdings noch lange.
Ein Jahr Corona – kleine Unternehmen leiden am meisten
Der Lockdown versetzte die Welt in eine Schockstarre. Die Wirtschaft und das öffentliche Leben mussten ganz fest auf die Bremse drücken. Doch im Sommer 2020 lief es für die großen Betriebe in Deutschland ,gefühlt‘ und relativ Vieles wieder normal. Auf alle machte es sich durch viel LKW-Verkehr auf den deutschen Autobahnen bemerkbar.
Der Einzelhandel ist dem Virus zum Opfer gefallen. In Stuttgarts längster Einkaufsmeile, der Königstraße stehen aktuell sehr viele große und kleine Geschäfte leer. Die zugeklebten Schaufenster wirken sehr gespenstisch. Im April öffnete überraschenderweise auch ein ganz neuer Laden seine Pforten: der Lego Store.
Mittels der staatlichen Hilfen konnten die großen Unternehmen sich relativ gut die Krise durchschlagen. Für kleine Labels, Soloselbstständige, Freiberufler, Gastronomen oder Künstler gestaltete sich in der Pandemie alles viel dramatischer. Für Musiker und Schauspieler war dieses Jahr eine enorme und ungewöhnliche Herausforderung. Nicht auf der Bühne auftreten zu dürfen, bedeutete nicht nur fehlende Einnahmen. Sondern auch der Applaus und der direkte Kontakt zum Publikum haben gefehlt.
Ich habe Josephine Wirtssohn von Apila und Patricia Parisi vom Milchsalon gebeten, über die Zeit im Lockdown zu berichten. Als Vertreterinnen der Musik- und Veranstaltungsbranche und Mütter sind sie schwer von der Krise betroffen.
Wie es meinem Label kapelusch im Lockdown ging, erzähle ich am Ende diesen Beitrags.
Musikerin im Lockdown – Josephine von Apila erzählt
,Ich empfinde die aktuelle Situation als sehr belastend. Mir sind als Musikerin und Theatermensch mittlerweile alle Einnahmen weggebrochen. Letztes Jahr wurden mir zwar schon alle Live-Veranstaltungen abgesagt, aber ich konnte noch etwas Unterrichten und als Choreografin am Theater arbeiten. Beides ist nun schon seit einigen Monaten nicht möglich.
Sehr frustrierend finde ich auch, dass es momentan überhaupt keine Aussicht auf eine Besserung für uns Kunstschaffende gibt. Zur Zeit lebe ich mit meiner Familie von dem Gehalt meines Mannes, da haben wir eigentlich noch Glück gehabt.
Doch meine Musik und das Theater haben mich nicht nur in den letzten Jahren ernährt. Sie sind neben meiner Familie auch mein Leben. Ich brauche meine Kunst und ich möchte arbeiten.
Letztes Jahr habe ich ein neues Album meines Familienpop-Projekts „Apila“ veröffentlicht. In die Produktion ist so viel Zeit, Herzblut und Geld geflossen. Geld, das bis jetzt nicht wieder reingekommen ist, da Konzerte nicht stattfinden können. Wir Musiker*innen verdienen an Streamingeinnahmen und CD-Verkäufen kaum, wir sind auf die Einnahmen der Livekonzerte angewiesen. Und das bedingt sich dann auch wieder, wenn am Merchstand CD´s und Merchandise-Artikel gekauft werden.
Ich beobachte, dass einzelne Kunstschaffende immer noch Optimismus signalisieren und die Situation beispielsweise für neue Musikproduktionen und Kunstprojekte nutzen. Ich kann diesen Optimismus leider nicht mehr teilen, denn wenn ich auf mein Konto schaue, wird mir schwindelig. Man muss schon einiges auf der hohen Kante haben, um ein Jahr sein Leben zu finanzieren und zusätzlich neue Kunstprojekte zu realisieren. Es gab zwar die Corona-Soforthilfe im letzten Jahr und vereinzelte Stipendien, aber das reichte für die meisten Kolleg*innen nicht aus.
Die kulturelle Lage ist sehr ernst. Ich hoffe, dass wir nicht vergessen werden und bald endlich wieder das tun können, was wir lieben und was so viele Menschen für ihre Seele brauchen: Kunst.
Josephine Wirtssohn, Sängerin und Choreografin‘
Patricia Parisi – Milchsalon
Konzertveranstalterin ohne Konzerte
,Meine aktuelle Situation sieht folgender Maßen aus:
Aus mir unerklärlichen Gründen, habe ich mehr zu tun, als je zu vor. Neben dem zeitaufwendigen Up- and Download. Neben der Kontrolle diverser Schul-Wochenpläne. Neben der Motivierung, der sich im Homeschooling enorm verlangsamten – und parallel dazu, viel Nahrung in sich aufnehmenden Teenager, vergeht die Zeit wie im Flug.
Mit meiner eigenen Tätigkeit beginne ich dann am frühen Abend. Es ist natürlich frustrierend die Konzerttermine ein ums andere Mal zu verschieben. Vor allem, weil jedes Mal auf’s neue Leute abspringen, die glauben, ich mache das mit Absicht. Doch die meisten sind natürlich absolut vorbildlich und motivieren mich durch nette Mails, Einkäufe in unserem Shop oder Spenden.
Es ist keine schöne Situation, für Niemanden. Und CLUB-Kultur ist leider das letzte SYSTEMRELEVANTE Glied unserer Gesellschaft. Ich versuche aber in der ganzen Misere weiterhin geduldig und motiviert zu sein. Denke über neue Konzepte nach, wie zum Beispiel MILCHSALON ON TOUR! und versuche diese surreale „ZEIT“ zu genießen. Meine Kinder habe ich lange nicht mehr so intensiv erlebt, dass ist neben dem Stress (s.o.) ein absolut großartiger Nebeneffekt. Gerade haben wir ein Barock Sonett interpretiert und gedacht: Die Carpe Diem und Vanitas-Symbolik ist aktueller denn je!
Hier findest du meinen Blogartikel über Patricia Parisi und Milchsalon
Small Business im Lockdown – ein Jahr Corona bei kapelusch
Dieses Onlinejahr und zeitgleich auch Corona-Jubiläumsjahr war für mein kleines Label für Bio Kindermode ein herber Rückschlag. Und das obwohl die Pandemie zu einem enormen Wachstum des Onlinehandels beigetragen hat. Lediglich bei den großen Playern sind die Verkaufszahlen durch die Decke gegangen.
Zu Beginn der Pandemie waren sich die Experten für Onlinemarketing einig: Die Krise soll man auch als Chance sehen. So arbeitete ich weiter an meinem Angebot und optimierte den Onlineshop.
Zudem veröffentlichte ich viele Blogbeiträge, die Kunden über Themen wie Nachhaltigkeit und Textilien informieren. Die Blogbeiträge können durch aufwendige Recherchearbeit und Netzwerken mit Experten und Branchenkennern zustande kommen.
Im Lockdown konnte ich an vielen digitalen Netzwerktreffen, Veranstaltungen und Schulungen teilnehmen. Die digitalen Begegnungen sind zur einzigen positive Nebenwirkung dieser Krise geworden. Ich habe auf diese Weise tiefe Einblicke, viel Fachwissen und Projektpartner gewinnen können.
So bin ich Teil eines Pilotprojektes bei Deutschen Instituten für Textilforschung geworden. Sobald das Projekt abgeschlossen ist, werde ich davon berichten.
Anfang September 2020 habe ich die große Fachmesse Munich Fabric Start besuchen können. Das war das erste Event der Textilindustrie nach dem ersten Lockdown für die Rückkehr in die Wirtschaft. Selbstverständlich hat alles unter sehr strengen hygienischen Maßnahmen stattgefunden.
Die bestellten Samples sind nun bei mir angekommen und die Planung für die nächsten Kollektionen hat begonnen. Ich freue mich auch auf diese Messe im Herbst 2021. Denn immer mehr Firmen bringen neue zertifizierte Stoffe auf den Markt.
Geplant ist schon lange ein neues Fotoshooting mit Kindermodels und der wunderbaren Fotografin aus Stuttgart, Erika Wenzig. Hoffentlich kann ich auch dieses Vorhaben bald erfolgreich umsetzen.
Deine Alicja von kapelusch