Der Wunsch nach fair hergestellten und nachhaltigen Textilien wächst bei den Kunden. Auf der Haut möchten die umweltbewussten Bürger gesunde und schadstofffreie Kleidung tragen. Doch wie können die Verbraucher sicher sein, dass die angebotenen Produkte tatsächlich diesem Wunsch erfüllen?
Textilsiegel – wozu brauchen wir sie?
Die Textilsiegel sollen die Sicherheit und das Gefühl vermitteln, dass mit den Produkten alles in Ordnung ist. Dabei geht es nicht um Normen des Deutschen Instituts für Normung, an die sich die Hersteller und Designer halten. Die Begriffe DIN und ISO sind allen bekannt.
In der Kindermodebranche (KOB) ist die Norm DIN EN 14682 Sicherheit der Kinderkleidung – Kordeln und Zugbänder an Kinderbekleidung von besonderer Bedeutung. Alle Modedesigner sollen sich an die Anforderungen dieser Norm halten. Und das aus gutem Grund. Das Ziel dieser europäischen Norm ist es, die Risiken und Gefahren beim Klettern, Fahrradfahren oder beim Bus fahren, auszuschließen.
Textilsiegel gegen giftige Kleidung
Doch wofür stehen die textilen Siegel und wofür brauchen wir sie, wenn wir bereits so viele Vorschriften und Regelungen haben, die die Verbraucher schützen sollten?
Das große Problem der Modeindustrie sind die verwendeten Chemikalien. In der Modeindustrie sind Chemikalien nicht vermeidbar. Oft sind sie toxisch und gesundheitsgefährdend. Laut Greenpeace sind es mehrere tausend Chemikalien, die die Textilindustrie zum Färben, Bedrucken und Imprägnieren einsetzt. Damit Kleider glänzen, Outdoorbekleidung wasserdicht und pflegeleicht ist oder die Businesshemden bügelfrei sind.
Seit 2011 testet Greenpeace regelmäßig Textilien sowohl die der Discounter als auch von bekannten Designern. Auch Wasseruntersuchungen in den asiatischen Ländern führt die Organisation durch. Die Ergebnisse sind erschreckend. 11 unterschiedliche Chemikaliengruppen vergiften schleichend die Umwelt und die Bevölkerung in den Herstellungsländern. Greenpeace berichtet, dass Modeimporteuere bewusst die Tatsache ignorieren, dass gefährliche Chemikalien in den asiatischen insbesondere chinesischen Fabriken im Einsatz sind.
Das deutsche Umweltbundesamt veröffentlichte im Juli 2020 Ergebnisse einer Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen, die die Behörde in den Jahren 2014-2017 durchgeführte. Im Blut der Kinder im Alter zwischen 3 und 17 Jahren haben die Forscher die Spuren der besonders schädlichen Chemikaliengruppe PFAS gefunden. Diese Chemikaliengruppe setzt die Textilindustrie u. A. in der Outdoorbekleidung ein.
Fraglicher Verbraucherschutz – die REACH Verordnung
Im Jahr 2007 trat in der EU die REACH Verordnung in Kraft und wurde als großer Fortschritt im Verbraucherschutz gefeiert. Die Verordnung schreibt vor, dass alle in der Industrie verwendeten Chemikalien erfasst werden und auf Risiken bewertet müssen. Die europäische Chemikalienagentur ECHA in Helsinki sammelt alle Informationen über die Chemikalien, die in Europa produziert, eingeführt oder gehandelt werden. In der so genannten Kandidatenliste veröffentlicht ECHA Stoffe mit besonders besorgniserregenden Eigenschaften.
Diese Verfahren sollten die Risiken für die Verbraucher und die Umwelt mindern.Doch die REACH Verordnung und die ECHA entwickelten sich laut Tristan Jorde von der Verbraucherzentrale in Hamburg zu einem zahnlosen Tiger. Das Problem bei ECHA ist, dass die Industrie die Chemikalien selber überprüft und die Ergebnisse an ECHA weiterleitet. Sie listet sie nur auf und überprüft die Angaben maschinell. Die Computer werten diese Datenmengen nicht ausreichend aus.
Der Chemiker, Professor Michael Braungart spricht von einer Taktik der Industrie, um möglichst lange ihre Produkte verkaufen zu können. Sobald die Behörden eine Chemikalie verbieten, kommt eine andere zum Einsatz.
Es reicht nicht aus, die konventionelle Kleidung vor dem Tragen zu waschen. Beim Waschen gelangen die gefährlichen Substanzen in die Kläranlagen und anschließend mit dem Schlamm auf die Felder. Und letztendlich in unsere Nahrung.
Die Textilsiegel und die Produktionsbedingungen
Spätestens nach dem Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch im Jahr 2013 sind die Arbeitsbedingungen in den Produktionsländern in den Fokus der Öffentlichkeit geraten.
Die Medien berichten unermüdlich über schlecht bezahlte Näherinnen oder Gerbereien, in den die Arbeiter ohne jegliche Schutzmaßnahmen den gefährlichen Chemikalien ausgesetzt sind. Die ausbeuterische Kinderarbeit kommt leider immer noch in allen textilen Produktionsstufen in dem globalen Süden vor.
Über die soziale Verantwortung in den Produktions- und Lieferketten spricht die Politik seit mehreren Jahren. Doch die Mühlen der Gesetzgeber mahlen langsam. Für ein deutsches Lieferkettengesetz setzt sich der Bundesentwicklungsminister Gerd Müller. Doch die Industrie wehrt sich dagegen mit allen Mitteln.
Textilsiegel nach ökologischen Maßstäben
Den Konsumenten sind die Missstände in den Liefer- und Produktionsketten der Modeindustrie längst bekannt. Der Wunsch nach fair produzierter und schadstofffreier Mode wächst.
Woran kann ein Konsument die nachhaltigen Produkte erkennen? Die textilen Siegel und Zertifikate geben den Kunden eine Orientierung bei den Kaufentscheidungen. Das Textiletikett enthält lediglich Informationen über die Zusammensetzung der verwendeten Materialien und die Pflegehinweise – so regelt es das Gesetz. Informationen über die verwendeten Chemikalien und die Produktionsbedingungen enthält ein Textiletikett nicht.
Doch es gibt zurzeit eine ziemlich hohe und nicht überschaubare Anzahl an Zertifikaten unabhängiger Organisationen, aber auch firmeneigene Siegel. Dies verwirrt und verunsichert.
Welche Öko-Siegel sind wichtig?
Laut Greenpeace verdienen drei Öko-Zertifikate unsere Aufmerksamkeit: GOTS, IVN Best, OEKOTEX Green und OEKOTEX Standard 100.
Diese unabhängigen Siegel berücksichtigen folgende Faktoren:
- die Anbaubedingungen
- die verwendeten Chemikalien bei der Gewinnung der Fasern und weiteren Produktionsstufen
- die Arbeitsbedingungen in allen Produktionsstufen
- die Wiederverwendung bzw. Rückführung im Kreislauf
IVN Best
Das Siegel des Internationalen Verbandes für Naturtextilien gehört zu den strengsten unabhängigen ökologischen Zertifikaten. Erlaubt sind nur natürliche Faser. IVN zertifiziert ausschließlich Produkte aus Baumwolle oder Leinen, die nach ökologischen Prinzipien angebaut wurden.
Bei Produkten aus Wolle und Seide gelten ebenfalls hohe Ansprüche: keine synthetischen Pestizid-Bäder bei Schafen, artgerechte Tierhaltung und Bio-Futter.In keiner Produktionsstufe dürfen schädliche Chemikalien verwendet werden.Die verwendeten Nähgarne dürfen wegen der Haltbarkeit aus Polyester sein, müssen aber mit Baumwolle ummantelt sein.Applikationen, Futter, Taschen, Einlagen, Nahtbänder, Bänder, Kordeln, Etiketten oder Spitze müssen aus reinen Naturfasern bestehen. Die festgelegten sozialen Standards müssen die Produktionsbetriebe einhalten. Bei Best sind alle Produkte vollständig abbaubar.
GOTS
Bei diesem Zertifikat spielen ebenfalls strenge Regeln in allen Anbau- und Produktionsstufen eine Rolle. Neben natürlicher Faser aus kontrolliert biologischem Anbau oder Tierhaltung, ist allerdings auch Polyester zugelassen, wenn die Polyesterfaser im Recyclingverfahren gewonnen wurden und nur bis zu einem Anteil von 30%.
Faire Produktionsbedingungen und Menschenrechte sind bei GOTS von Anfang an ein Kriterium.
Made in Green
Made in Green ist ein Ökozertifikat aus der Familie OEKOTEX und erfüllt momentan die Detox-Kriterien von Greenpeace (Link). Alle Made in Green zertifizierte Textilien inklusive verwendeter Zubehörmaterialien sind schadstofffrei nach OEKOTEX Standard 100 Kriterien. Im Bereich der Babyprodukte ist Made in Green sogar strenger als GOTS. Neu sind bei diesem OEKOTEX Label die sozialverträglichen Arbeitsbedingungen, die die Betriebe erfüllen müssen.
Der OEKOTEX Standard 100
Artikel, die mit diesem Zertifikat ausgezeichnet sind, sind lediglich nach den Kriterien des OEKOTEX Instituts schadstofffgeprüft. Die Arbeitsbedingungen spielen hier keine Rolle.
Der Grüne Knopf
Der Grüne Knopf ist das erste staatliche Zertifikat für fair und ökologisch produzierte Textilien. Nach dem Einsturz von Rana Plaza und weiteren Unfällen in den Textilfabriken in Asien oder Afrika hat auch die deutsche Regierung Handlungsbedarf gesehen. Das Bundesentwicklungsminsterium hat den Grünen Knopf im September 2019 ins Leben gerufen hat. Das Siegel hat allerdings sehr viel Kritik geerntet, denn es beruht lediglich auf Freiwilligkeit der Akteure.
Mehr zum Grünen Knopf und dem Lieferkettengesetz kommt in Kürze.
Wie ist es bei kapelusch?
Die kapelusch-Kollektionen besitzen kein allumfassendes ökologisches Siegel. Denn die Zertifizierungsverfahren sind sehr teuer und umfassen alle Produktionsstufen.
Meine Nähmanufaktur müsste sich dem Verfahren ebenfalls unterziehen.
Was ich bei meiner Manufaktur sehr schätze, ist der sehr effiziente Zuschnitt ohne viel Verschnitt. Für die CO2-Bilanz meiner Produkte ist dies von großer Bedeutung.
Ich achte auf die ökologischen Standards und verwende ökologisch zertifizierte Stoffe aus nachwachsenden Naturfasern. Ein Teil der bei kapelusch bereits vernähten Stoffe besitzt das GOTS-Zertifikat und für die geplanten Kollektionen besorge ich ausschließlich GOTS-zertifizierte Materialien.
Dass eine Nähmanufaktur in Deutschland alle sozialen und arbeitsrechtlichen Anforderungen erfüllt, ist für mich selbstverständlich.
Wie ich bereits in diesem Artikel über nachhaltige Stoffe geschrieben habe, ist ein ökologisches Zertifikat keine Qualitätsaussage. Alle Stoffe teste ich deshalb bevor sie in die Produktion gehen. Viele Stoffe erfüllen die Qualitätsstandards nicht: Sie laufen zu stark ein, leiern aus, färben ab oder bilden Knötchen (Pilling). Somit erfüllen sie auch keine Nachhaltigskriterien.
Eine Sache kann ein Zertifikat nicht bescheinigen: Ob die kapelusch-Produkte den Kunden gefallen!
Eure Alicja von kapelusch