Maschen, Textilien und Rundstrickmaschinen – Besuch im Maschenmuseum

Historische Raumaschine mit Stahlbürsten

Ich hatte schon lange vor, das Maschenmuseum in Albstadt-Tailfingen zu besuchen. Nun hat es endlich geklappt. Und das noch in einem Jubiläumsjahr: Vor 25 Jahren wurde das Museum gegründet und vor Kurzem umgebaut und neu gestaltet. Herzlichen Glückwunsch!

Geschichten über Maschen und Gewirke aus dem Wanderparadies

Die Schwäbische Alb, ein Mittelgebirge im Süden von Deutschland, ist ein Wanderparadies und ein beliebtes Ausflugsziel für Familien. Auch meine Familie und ich verbringen auf der Alb, wie wir es hier im Ländle sagen, relativ viel unserer Freizeit, am liebsten auf dem Fahrrad. Beruflich bin ich hier ebenfalls oft unterwegs. ,Albra’ ist ein schwäbischer Begriff und bedeutet ,von der Schwäbischen Alb’. Und „albra” sind die Stoffe, aus dem die süßen Streifenpullover für Kinder aus Biobaumwolle genäht sind.

Unsere Familienausflüge vor 20 Jahren begannen meistens im Fabriksverkauf von Kanz und bei Sanetta kauften wir Stoffreste. Die Einkaufstouren endeten in der Burg Lichtenstein oder in Hechingen in der märchenhaften Burg Hohenzollern, der Wiege von Ostpreußen!

Dass die Schwäbische Alb einst Zentrum der deutschen Maschenindustrie war, wissen nicht viele in Deutschland. Besonders für die jüngere Generation dürfte dies ein unbekanntes Kapitel sein. Denn auf den meisten Textiletiketten, die in unsere Kleidung eingenäht sind, steht heute made in China, Turkey oder Bangladesh.

Bio Kinderpullover mit Streifen
Zu den Streifenpullover

Gucken, anfassen und staunen

Ich bin überzeugt, dass im Maschenmuseum auch die Kids Spaß und Freude haben. Da die meisten Kinder technikbegeistert sind, werden sie hier keine Langeweile haben. Zwischen den ausgestellten Webstühlen, Flach- und Rundstrickmaschinen und Dampfmaschinen dürfen sie herumlaufen und sie von allen Seiten beschauen. Diese historischen Wunder der Technik haben noch dazu viel Charme.

Sehr spannend fand ich die Rauhmaschine. Beim Rauhen wird die Rückseite des Stoffes flauschig gemacht. Der Flor isoliert gegen die Kälte. Das kennen wir alle von den Jogginghosen oder Sweatshirts. Die Kleidung aus angerauhten Stoffen ist für die zarte Kinderhaut besonders gut geeignet. Zum Rauhen verwendete man früher heimische Distel. Später ersetzten die Fabriken Distel durch Stahlkratzer, die nicht mehr so schnell verschlissen.

Mir hat es übrigens Spaß gemacht, als Verkäuferin hinter der Theke eines typischen für die 1970 Jahre Textilwarenladen im Erdgeschoss des Museums zu stehen.

Historische Raumaschine mit Distelbürsten
Zu den gerauhten Sweatshirts

Rundstrickmaschinen von der Alb

Das Maschenmuseum im Stadtteil Tailfingen ist im ehemaligen Gebäude der Textilmaschinenfabrik Mayer & Cie. untergebracht: In einem der typischen Fabriksgebäuden, die sich einst in verschiedenen Teilorten von Albstadt entlang des Bachs Smiecha reihten. Die meisten dieser Gebäude wurden abgerissen, einige zu Einkaufszentren und Büros umgebaut.

Die Firma Mayer & Cie. produziert noch heute und verkauft weltweit Rundstrickmaschinen. Ihren Hauptsitz hat sie immer noch in Albstadt-Tailfingen und nach tiefen Krisen geht es der Firma heute wieder gut. In und um Albstadt befinden sich aktuell noch weitere Textilunternehmen, die dem Druck der absoluten Globalisierung trotzen. Die Region erlebt nämlich den zweiten textilen Frühling. Spezialisiert haben sich die Unternehmen auf technische Textilien. Neuerdings werden wieder Stoffe oder Unterwäsche von einigen Firmen produziert z. B. Ehrlich Textil – der jungen Generation bestimmt bekannt, lässt hier einen Teil der nachhaltigen Unterwäsche produzieren.

Historische Rundstrickmaschine

Von wegen früher war alles besser!

Dass die Älbler sehr stolz auf ihre textile Vergangenheit sind, gibt die Museumsausstellung sehr gut wieder. Die hier produzierten Trikotwaren – Wäsche, Hemden, Blusen und andere Maschenware brachten Reichtum, Arbeitsplätze und enorme Umweltprobleme. Denn die Textilien lassen sich nicht ohne Einsatz von Chemikalien produzieren. Die aggressiven und giftigen Chemikalien gelangten zunächst ungeklärt oder ungefiltert in die Umwelt. ‚Die rauchenden Schornsteine der Kesselhäuser galten als Zeichen einer regen Betriebsamkeit, die Einkommen garantierte. Dass Rauch und Russ ungefiltert freigesetzt wurden, störte nur am Waschtag.‘ – steht auf einer Schautafel. Die ungereinigten Chlorgewässer, die zum Bleichen der Stoffe benutzt wurden, zerstörten das Leben in der Schmiecha. Heute etablieren sich in und um Albstadt Textilfirmen, die nachhaltig arbeiten und die strengen Umweltvorgaben in Deutschland respektieren.

,Wer schafft, sündigt nicht!’

Fleiß und Treue der pietistisch geprägten Bevölkerung waren die wahren Schätze der Trikotfabrikbesitzer. Insbesondere Frauen saßen auf der Alb an den Webstühlen oder Nähmaschinen. Auch Kinderarbeit um das Jahr 1900 war selbstverständlich. Mit der zunehmenden Mechanisierung Ende des 19. Jahrhunderts und steigender Produktion, wuchs der Druck auf die Arbeiter. In den Betrieben herrschte dennoch eine gewisse familiäre Atmosphäre. Die Arbeiter identifizierten sich mit der Firma, die ganzen Generationen Arbeitsplätze garantierte.

historische Stickmaschine mit Lochstreifen

Fern von der Museums-Romantik

Die Ausstellung stellt detailreich dar, wie komplex und langwierig die textile Produktion ist: Von der Rohstoffgewinnung, über das Spinnen, Weben oder Stricken bis zum fertigen Bekleidungsstück. Früher fanden fast alle Produktionsschritte an einem Ort. Dagegen können heute weltweit bei der Produktion eines weißes Hemdes rund 140 Produzenten und Unternehmen beteiligt sein (textil + mode)!

Bei der Weiterentwicklung von Textilmaschinen, die heute in den Museen stehen, ist das Wissen und Kreativität der Maschineningenieure gefragt. Weltweit beschäftigen sich Wissenschaftler in den Prüflaboren mit der Qualität der textilen Fasern.Die endlosen nass behandelten Stoffbahnen hingen früher zum Trocknen aus den Fenstern der Trikotfabriken in Tailfingen und Ebingen. Heute setzt die Textilindustrie dafür Maschinen ein, die einen enormen Energieverbrauch haben.

Besonders heute ist daher wichtig, dass die Industrie ihre Produktion dem Klimaschutz anpasst und enkeltauglich gestaltet. Jede Innovation soll unter dem Motto ,Umweltschutz’ stehen. Hoher Stromverbrauch und enormer Ausstoß von Treibhausgasen sind fatal für unser Klima und den Planeten. Als Verbraucher können und müssen wir es fordern.

Deine Alicja

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