Kann Recycling die konventionelle Textilindustrie aus der Krise führen?

Die konventionelle Textilindustrie steckt in einer tiefen Krise. Zu viel, zu schlecht, belastet die Umwelt. Ist Recycling der richtige Weg, aus der Krise zu kommen?

Menschen hinter unseren Abfällen

Der 17. Juni wurde zum Internationalen Tag der Müllabfuhr ausgerufen. Wir sollten Menschen, die unsere Abfälle und Wertstoffe sammeln, mit Respekt begegnen. Sie sammeln unseren Abfall, um diesen nach Möglichkeit dem Kreislauf, meistens jedoch der thermischen Verwertung hinzuzufügen. Wir sollten uns nicht ärgern, wenn die Müllwagen ab und zu Staus in den Innenstädten verursachen und ihnen nicht nur an einem Tag im Jahr unsere Dankbarkeit zeigen.

Die modische Verführung

Gleichzeitig sollen wir uns als Konsumenten mehr Gedanken über die Überproduktion und den übermäßigen Konsum machen. Und ja, wir werden durch aggressive Marketingmaßnahmen dazu verführt, immer mehr zu kaufen! Nichtsdestotrotz haben wir mit unseren Kaufentscheidungen ein bisschen Macht und die sollten wir nutzen und unser Kaufverhalten ändern. 

Mein Augenmerk gilt in diesem Beitrag den Textilien. Kleidung und Textilien allerart werden gekauft und viel zu schnell wieder ausgemistet. Weil nächste Woche Shein, Temu, Zara oder H&M wieder Hunderte neue Modelle im Angebot haben. Landen die ausgemisteten Klamotten in der Restmülltonne, werden sie thermisch verwertet, d. h. sie werden verbrannt! Landen sie im Altkleidercontainer, haben sie theoretisch gute Chancen, als Secondhand-Ware bei Bedürftigen zu landen.

Seit der industriellen Revolution und der Kommerzialisierung der Mode bestimmt ein konsumorientiertes Modell die Psyche der Verbraucherinnen und Verbraucher. Das beginnt mit dem Schüren von Illusionen des Bedürfnisses mit „Farben des Jahres“ und Fashion Weeks. Das fördert den Konsum und das Bedürfnis nach dem Neuesten.

Bei der Kinderkleidung spielen Faktoren wie die Lieblingskinderserien oder die neuesten Kinohits eine große Rolle. Noch mehr Barbie-T-Shirts mit oder ohne Pailletten aus Kunststoff kamen in Umlauf bereits vor der Premiere des Sommerhits 2023 ,Barbie‘. Dinosaurier sind seit dem Erfolg von Spielbergs ,Jurassic Park‘ von Kinderhoodies oder T-Shirts kaum wegzudenken. Lego-Figuren, Peppa Wutz oder die heldenhaften Hunde aus der Serie Paw Patrol sind auf Kinderkleidung allgegenwärtig. Leider auch als Kuscheltiere aus Polyester.

Ob Matell mit der Walt Disney Company (der gute Walt dreht sich seit Jahren immer wieder im Grab) oder Warner Bros, um Kleidung mit den Helden aus den Kinderfilmen verkaufen zu dürfen, müssen teure Lizenzverträge ausgehandelt werden. Die Konkurrenz zwischen den Anbieter von Kinderbekleidung ist sehr groß. Ob ein Kleid mit Elsa oder ein T-Shirt mit Bob der Baumeister, die Hoffnung ist groß, dadurch die Umsätze zu steigern.

Die Frage, ob die Textilarbeiterinnen und Textilarbeiter damit ihr Lebensunterhalt verdienen, stellt sich nicht. Was mit den ganzen Pailletten aus Plastik geschieht, ob auf Billigklamotten oder auf Designerklamotten vieler Luxusmarken, interessiert ebenfalls wenig. 

Perfide dabei ist, die Billigmode unter dem Deckmantel der Demokratie oder die Matell-Klamotten als Feminismus zu vermarkten. Nach dem Motto ,Elsa für alle Kinder‘ oder als emanzipierte Barbie-Karrierepuppe. Im Mattel-Shop gehören aktuell Lehrerin, Kinderärztin, Zahnärztin und Fußballerin zu den emanzipierten Berufen. Eine Karriere als Managerin in einem DAX-Unternehmen ist in der Matell-Welt nicht vorgesehen.

Die Gretchenfrage

Niemand weiß genau, wie viele Kleidungsstücke weltweit produziert werden. Laut Studien von McKinsey und UNEP (das Umweltprogramm der Vereinten Nationen) sind es 80-150 Milliarden Kleidungsstücke im Jahr.

Die genauen Produktionszahlen bleiben jedoch ein Geheimnis. Die Textilindustrie lässt sich nämlich nicht in die Karten schauen. Laut Transparency Index von Fashion Revolution geben 89 % der Modeunternehmen ihre Produktionszahlen nicht bekannt. 

Es ist unumstritten, dass die konventionelle Modeindustrie in schwindelerregenden Mengen produziert. Fashion Revolution prognostiziert, dass die Produktionsmengen bis 2030 sogar um das Dreifache steigen werden. 

Machbar ist es, weil die Textilien aus billigen fossilen Brennstoffen produziert werden. Die aktuelle politische Lage lässt möglicherweise den Anteil von Textilien, die aus diesen Fasern bestehen, auf über 73 % steigen. Drill, Baby, drill! – wer hat’s gesagt?

Dazu kommen die expansiven Ambitionen und protektionistische Politik der chinesischen Regierung. ,Zwischen 2020 und 2025 kamen chinesische Textil- und Bekleidungsunternehmen in den Genuss einer ganzen Reihe von Subventionen – Exportrabatte, günstige Kredite, Bargeldzuschüsse, vergünstigte Grundstücke, subventionierte Versorgungsleistungen und Steuervergünstigungen. Das sind keine kleinen Vorteile. Sie verändern die Handelsströme, drücken die Preise und erschweren den Produzenten in anderen Ländern einen echten Wettbewerb.‘ (Robert Antoshak, Textilexperte)

Unternehmen wie Shein oder Temu eroberten mit ihren Plastikklamotten innerhalb kürzester Zeit die ganze Welt. Nicht zuletzt mithilfe von Lobbyisten wie Günther Oettinger, dem ehemaligen Ministerpräsidenten in Baden-Württemberg.

Laut Berichten von Reuters und Cargo Facts Consulting verschiffen Temu, Shein, Alibaba und Tiktok zusammen Produkte mit einem Gewicht von rund 10.000 Tonnen oder 108 Boeing 777-Frachtern pro Tag. Das sind sehr viele Flugzeugladungen.

Als Gegenmaßnahme hat Frankreich beispielsweise beschlossen, Maßnahmen gegen chinesische Plattformen zu ergreifen. Außerdem werden bis zu 5 € Gebühren verlangt, wenn Produkte der Ultra-Fast-Fashion-Kategorie ausländischer Marken nicht lange haltbar sind. Zusätzlich soll ein Werbeverbot eingeführt werden. Dies lässt auf eine protektionistische Maßnahme zugunsten einheimischer Marken mit ähnlichen Praktiken schließen.

Die textile Abfallkrise

Die Überproduktion hat längst eine textile Abfallkrise ausgelöst. Verschiedene gemeinnützige Organisationen oder private Unternehmen im globalen Norden, die Textilien eigentlich für die Wiederverwendung sammeln, warnen seit Jahren vor dem Kollaps. Das Fassungsvermögen der Sammelcontainer und die Möglichkeiten, die Textilien zu lagern, zu reinigen, zu sortieren, zu verkaufen und das Personal zu bezahlen, sind begrenzt. 

Post-Consumer-Textilabfälle, überwiegend aus billigen und minderwertigen Plastikfasern, haben darüber hinaus einen sehr geringen wirtschaftlichen Wert und lassen sich schlecht vermarkten.

Die Branche sieht sich gezwungen, ihre langfristig etablierten Strukturen aufzugeben. Eine flächendeckende Sammlung ist in vielen Regionen bereits nicht mehr gewährleistet.

Was nicht als Secondhand-Ware bei den sozialen Einrichtungen oder auf Kleinanzeigen landet, wird exportiert. Deutschland gehört nach den USA zu dem zweitgrößten Exporteur von Altkleidern und Textilien. Über sie Zwischenstationen in den Niederlande oder Polen landen diese Exporte auf den Märkten in Afrika. Die Endstationen sind die Flüsse und Strände irgendwo in Afrika oder die Atacama-Wüste.

Recycling als Strategie

Die EU hat mit dem Green Deal der Fast Fashion und den Müllbergen einen Kampf angesagt. Die Alttextilien sollten recycelt und wieder dem Kreislauf hinzugefügt werden und langlebig werden. Mit der seit Anfang 2025 geltenden Pflicht zur getrennten Sammlung von Textilien versprechen sich die Politiker eine Lösung der textilen Abfallkrise. Doch die komplette Infrastruktur steht noch nicht da bzw. die Container werden jetzt schon abgebaut.

Das Recycling ist eine echte Herausforderung, wenn es auch noch wirtschaftlich sein soll, sagt Thomas Stegmaier vom Deutschen Institut für Textil- und Faserforschung. Wenn die Abfälle sortenrein vorliegen, z. B. als Abfall bzw. Verschnitt aus der Produktion, ist ein Recycling besonders interessant, da die aufwendigen Trenn- und Sortierprozesse wegfallen. Doch die Altkleider bestehen meistens aus minderwertigen Mischfasern.

Beim mechanischen Recycling von Baumwolle lassen sich neue Garne herstellen. Voraussetzung ist jedoch, dass auch ein größerer Anteil von neuen Baumwollfasern dazukommt, um eine ordentliche Qualität zu erhalten. 

Beim Reißen der gebrauchten Textilien und dem anschließenden Öffnen wird die Faserlänge eingekürzt. Bei Baumwolle gilt: Je kürzer die Faser, umso schwieriger ist es, ein gutes Garn auszuspinnen.

Oft werden jedoch nicht Garne, sondern andere Produkte aus den Reißfasern hergestellt: Malerabdeckvliese, Putzlappen, Isolierungen, Bewässerungssysteme und viele andere Dinge. Dieser Weg ist auch sehr sinnvoll und ist trotz „Downcycling“ nicht unbedingt als schlecht einzustufen, meint Thomas Stegmaier, der Chemiker aus Denkendorf.

Wie viele Putzlappen braucht die Welt?

Die Textilstrategie der Europäischen Union sieht vor, dass alle auf den europäischen Markt gebrachten Textilien bis 2030 langlebig, recycelbar und mit einem hohen Anteil rezyklierter Fasern ausgestattet sein sollen. Zudem dürfen sie keine umweltschädlichen Schadstoffe enthalten.

Mit der seit Anfang 2025 geltenden Pflicht zur getrennten Sammlung dürfte sich theoretisch dieser Anteil im Laufe der Zeit erhöhen, wenn der Rückbau der Infrastruktur nicht bereits im Gange wäre.

Die Wiederverwertung von Kleidung bekämpft ein Symptom, nicht die Ursache des Bekleidungsabfallproblems, sagen die Textilexperten.

Die Forscher der Universität Oslo kritisieren die ÜBERBETONUNG der Haltbarkeit von Kleidungsstücken durch die Politik. Der effektivste Weg zur Verringerung der Umweltauswirkungen der Modeindustrie ist die Produktionsmengen zu reduzieren und nicht nur die Lebensdauer der Produkte zu verlängern.

,Bei Kleidung ist eine lange Lebensdauer (viele Tragevorgänge, jahrelanger Gebrauch und möglicherweise viele Nutzer) natürlich ein großer Vorteil, aber stärkere Kleidung hat diesen Effekt nicht, wenn die Mengen steigen.

Das Problem in der EU besteht darin, dass Kleidung heute größtenteils (2/3) weggeworfen wird, lange bevor sie abgetragen ist. Dies ist beispielsweise die Grundlage für den großen Export von Altkleidern aus der EU in den globalen Süden, der sich in den letzten 20 Jahren verdreifacht hat.‘

Laut Fashion Revolution verpflichten sich fast alle Marken (99 %) zu keiner Degrowth-Strategie, also Reduzierung der Produktion von neuer Kleidung. 

Es sind diejenigen, die am meisten vom Ressourcenverbrauch, Umweltzerstörung sowie Ausbeutung der Arbeitskräfte profitieren. 

Die Idee vom Wachstum, die ja weltweit vorherrschend ist, hängt total mit dem Verbrauch von Energie und Ressourcen zusammen. Wenn die Produktion steigt, braucht die Wirtschaft mehr Energie und Ressourcen. Dadurch entsteht auch mehr Abfall. Und der Verbrauch geht noch weiter über die sicheren planetarischen Grenzen hinaus.

Trotz der enormen Überproduktion wird nur 1 % der gebrauchter Kleidung jedes Jahr zu neuen Kleidungsstücken recycelt. Frische Fasern aus fossilen Brennstoffen zu produzieren, ist billig, sehr verlockend und lukrativ. Möglich machen das die massiven Subventionen für die fossile Industrie. 

Die Textilindustrie hat die Recyclingstrategie mit Begeisterung aufgenommen. Wie Pilze aus dem Boden schoßen unzählige Marken, die Kleidungsstücke aus geretteten PET-Flaschen anbieten. Flaschen, die im Zweifel extra für diese Zwecke produziert wurden.

Ob rPET (recyceltes Polyester) oder sog. virgin (frisch) Polyester, Textilien aus diesen Fasern setzen sowohl während des Gebrauchs als auch beim Waschen Mikroplastik frei und zerfallen als Abfall in Mikroplastik.

Deine Alicja von kapelusch

Mädchen in einem Ringelshirt aus Biobaumwolle in braun-weiß

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