Modegiganten auf dem Weg zur Nachhaltigkeit

Nachhaltige Mode

Was nicht passt, wird passend gemacht? Wie die Modegiganten durch ungenaue und falsche Aussagen über die Nachhaltigkeit, die Verbraucher, die Investoren und die Exekutive täuschen. Eine Analyse des Business of Fashion (BoF) Sustainability Indexes.

Business of Fashion Sustainability Index – so geht Nachhaltigkeit in der Modebranche  

Die zweite Ausgabe des Nachhaltigkeitsindexes des Business of Fashion (BoF) wurde am 31. Mai 2022 veröffentlicht. Darin werden die Fortschritte der Branche bei der Verwirklichung ehrgeiziger Nachhaltigkeitsziele in sechs wichtigen Kategorien: Emissionen, Transparenz, Wasser und Chemikalien, Materialien, Arbeitnehmerrechte und Abfall erfasst.

Die aktuelle BoF-Version ist umfangreicher und bewertet die Leistung von 30 der größten börsennotierten Modeunternehmen im Luxus-, Sportbekleidungs- und High-Street-Sektor, darunter Abercrombie & Fitch Co., Adidas, Burberry Group, Fila Holdings Corp., Gap Inc., H&M Group, Hermès, Inditex, Kering, Levi Strauss & Co., Lululemon Athletica, LVMH, Next PLC, Nike Inc., Prada Group, Puma und Ralph Lauren Corp.

Der Index ist ein wichtiges Instrument für die Investoren, die Berater, die Führungskräfte aus der Modebranche und sollte sie bei ihren Entscheidungen im Bezug auf die Umweltauswirkungen unterstützen. Auch anderen Marken soll der Index Orientierung und Hilfe auf ihrem Weg zur Nachhaltigkeit geben. 

Der Anlass für die Veröffentlichung des BoF-Berichts sind die Aktivitäten der Europäischen Union zur Kreislaufwirtschaft und zum Verbraucherschutz und die geplante Kennzeichnung für die Nachhaltigkeit von Kleidung. Die Nachhaltigkeitssprache ist nicht einheitlich und verwirrt die Verbraucher. Deshalb ist die Initiative der EU begrüßenswert. Viele Organisationen und Experten kritisieren jedoch die Methode, an der sich die EU stützt, den bereits 2013 veröffentlichten bzw. geltenden PEF (Umwelt-Fußabdruck von Produkten). 

Analyse des BoF-Sustainability Indexes

Veronica Kassatly-Bates, eine unabhängige Datenanalystin und Professor Dorothée Baumann-Pauly von Geneva Center for Business & Human Rights veröffentlichten vor Kurzem ihre kritische und ausführliche Analyse des BoF-Indexes. 

Wer sich mit den Themen Textilien und Nachhaltigkeit auseinandersetzt, kennt bereits die vielen angesprochenen kritischen Bereiche der Branche. Die meisten Verbraucher sind über die schlechten Arbeitsbedingungen in asiatischen Textilfabriken gut informiert. 

Doch die beiden Expertinnen beleuchten auch Aspekte, die oft sogar die alternativen nachhaltigeren Labels und Initiativen vernachlässigen oder nicht deutlich betonen. Die Analyse baut auf früheren Berichten der beiden Expertinnen auf. Alle Berichte sind sehr lesenswert und klären gut über die Irrtümer und Missstände in der Mode- und Textilbranche auf.

Im Hinblick auf die aktuellen Gesetzesinitiativen der Europäischen Union ist eine kritische, objektive und auf wissenschaftlichen Fakten basierende Auseinandersetzung mit dem Storytelling der Bekleidungsindustrie, insbesondere der Fast Fashion und Sport- und Freizeitbekleidung äußerst wichtig.

Diese Analyse zeigt, dass sogenanntes Greenwashing und SDG-Washing sowohl in der Branche als auch im BoF-Index allgegenwärtig sind und die Nachhaltigkeitsbemühungen konzentrieren sich ausschließlich auf ein Ablenkungsmanöver. Ich konzentriere mich in diesem Artikel lediglich auf die Analyse der Treibhausemissionen.

Zur Erinnerung: Bei SDG handelt es sich um die 17 globalen Ziele für die Nachhaltige Entwicklung, zu denen sich die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen verpflichtet haben. Diese Ziele haben das übergeordnete Ziel, die Armut zu beenden, die Ungleichheit zu bekämpfen und den Klimawandel bis 2030 zu beheben. Greenwashing sind irreführende Aussagen bezüglich der Umweltauswirkungen und Nachhaltigkeitsziele von Unternehmen. 

CO2 Fussabdruck Kinderkleidung

Treibhausemissionen und CO2-Gedöns 

Die oberste Priorität der Modeunternehmen auf dem Weg zur Nachhaltigkeit hat der Wechsel auf sogenannte bevorzugte, zertifizierte oder innovative Fasern. Sie ignorieren dabei Fakten und Daten, die zeigen, dass die Rohstoff- und Fasergewinnung lediglich 10 % der Treibhausgasemissionen verursachen. 

Die Umweltauswirkungen in der Textilherstellung sind achtmal höher. Spinnen, Weben, Stricken, Färben, Ausrüsten und Konfektionieren sind sehr energieintensiv. Deshalb ist die Nachhaltigkeit von Marken in Bezug auf die Treibhausemissionen auch nach der Kohlenstoffintensität ihrer Produktion zu bewerten. 

Die Marken sind teilweise auf einem guten Weg und versuchen ihre eigenen Emissionen zu reduzieren. Doch die Emissionsreduktion in der Textilherstellung, der energieintensivsten Phase gehen sie gar nicht an! Auch über die Nutzungsphase durch die Verbraucher schweigen sie. Gerade in dieser Phase entstehen viele Emissionen durch Waschen, Bügeln oder die Nutzung von Wäschetrockner. Deshalb ist es wichtig, Kleidung auf niedrigen Temperaturen so selten wie möglich zu waschen. 

Zu den wichtigsten Faktoren gehören für die Autorinnen die Anzahl von Nutzungen pro Kleidungsstück. Wenn eine Jeans bei der Herstellung 11 kg CO2 ausstößt und 10 Mal getragen wird, sind das 1,1 Kilo CO2 pro Tragen. Wenn sie 20 kg CO2e verursacht, aber 100 Mal getragen wird, sind es nur 0,02 kg CO2 pro Tragen. 

Dies widerspricht allerdings der Philosophie der Fast Fashion Industrie.

Der Gewinner

Laut BoF-Index hat Puma den niedrigsten CO2-Fußabdruck, obwohl die meisten Lieferanten von Puma aus Asien kommen. In Asien betragen die Emissionen zwischen 424 und 625 CO2/kWh, während der Durchschnitt in der EU betrug im Jahr 2020 ca. 251 CO2/kWh und in Frankreich sogar 57 CO2/kWh. 

Die Behauptung, dass Puma den niedrigsten CO2-Fußabdruck hat, sehen die beiden Expertinnen als irreführend für Verbraucher und Investoren.

China ist zwar Vorreiter im Ausbau der erneuerbaren Energien, doch das Land ist der größte Textilproduzent der Welt und gleichzeitig der größte CO2-Emittent der Welt. Das liegt an dem hohen Kohleanteil bei Strom und Heizung. Dazu befindet sich die gesamte Textilekette vom Anbau, über Spinnen, Weben, Färben und Konfektionieren im Land befindet. Andere asiatischen Länder beziehen ihre Stoffe oder Garne oft aus China.

Der BoF-Bericht erwähnt die Bedeutung der Emissionen in der Produktion am Herstellungsort leider nicht. Dies hat fatale Auswirkungen auf den Klimawandel, behindert Investitionen in erneuerbare Energie und benachteiligt Marken, die in Europa produzieren. Immerhin arbeiten in der Europäischen Union in der Textil- und Bekleidungbranche 1,5 Millionen Europäer. Die Branche schafft lokale Arbeitsplätze. Nicht zuletzt könnten die Geflüchteten so eine Beschäftigung finden.

Deshalb ist es sinnvoll und machbar, die Nachhaltigkeit der Modemarken nach der Kohlenstoffintensität der Strom- und Wärmeerzeugung am Produktionsstandort zu beurteilen. 

Während die Lieferketten in der Fasergewinnungsphase unüberschaubar sind, sind die Lieferanten in der Herstellungsphase der Bekleidung wohl bekannt und nachvollziehbar. 

Auch wenn die Kohlenstoffintensität in den asiatischen Fabriken eine große Unbekannte ist, befinden sich die nationalen Daten darüber oft in öffentlich zugänglichen Datenbanken. Eine Einschätzung der Umweltauswirkungen auf verschiedenen Produktionsstandorten auf dieser Grundlage steht nichts im Weg. 

Sehr wünschenswert wäre, wenn die großen Modemarken die Produzenten dazu zu animieren würden, in erneuerbare Energien zu investieren. Doch die meisten Marken sind nicht dazu bereit,  diese Investitionen finanziell zu unterstützen oder entschädigen. 

Stattdessen investieren sie Zeit und Geld in die Erstellung von irreführender Berichten. Dies ist kontraproduktiv und umweltschädlich.

,Verbraucher können nicht die richtigen Entscheidungen treffen, wenn sie nicht die richtigen Informationen erhalten. Wenn Europas Jugend nur Mode kaufen würde, die in kohlenstoffarmen Fabriken hergestellt wird, würden die Treibhausgasemissionen über Nacht sinken.‘, so Veronica Bates-Kassatly auf LinkedIn. 

Den Medienberichten zufolge wusste selbst der führende Öl- und Gaskonzern Exxon früh über den menschengemachten Klimawandel Bescheid. Exxon-Wissenschaftler waren überzeugt, dass das unbegrenzte Verbrennen fossiler Energien zu einer massiven Erderwärmung mit drastischen Konsequenzen für das Leben auf der Erde führt. 

Deshalb ist es nicht egal, wo unsere Kleidung produziert wird. Die Mode kann nicht nachhaltig werden, wenn diejenige, die am meisten von der Mode profitieren, die Regeln für die Nachhaltigkeit machen. 

Nachhaltige Kinderhose aus Cord

Wie ist es bei kapelusch

Im Rahmen eines Projekts mit DITF wurde der Bis-zum-Werkstor-CO2-Fußabdruck der kapelusch-Produkte geschätzt. Die Wissenschaftler haben bei den Berechnungen sowohl den türkischen als auch den deutschen Strommix berücksichtigt. Erstaunlich niedrig sind die Emissionen einer Cordhose ausgefallen. Der Cordstoff stammt nämlich von einem Hersteller an einem deutschen Standort und hat darüber hinaus eine hervorragende Qualität.

Zum Vergleich würde eine Kinderhose aus einem Jeansstoff, der in einer türkischen Fabrik gewebt wurde, beinahe doppelt so viele CO2-Äquivalente verursachen!

Selbst der Wechsel des Herstellers des Baumwolljersey für die T-Shirts von einem türkischen zu einem deutschen würde die Emissionen bedeutend einsparen. Doch bei meiner Entscheidung habe ich nicht nur die Emissionen berücksichtigt, sondern auch die Qualität. Dies hat nämlich einen positiven Einfluss auf den Lebenszyklus. 

Freude an einem T-Shirt aus einem hochwertigeren Stoff können dann viele Kinder haben.

Hoffentlich habe ich alles korrekt wiedergeben. 

Deine Alicja von kapelusch

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