Wie nachhaltig ist Baumwolle?

Wie nachhaltig ist Baumwolle?

Dass sich die Textilindustrie negativ auf die Umwelt und die Menschen auswirkt, ist den Verbrauchern, den Politikern und den Marken mittlerweile bewusst. Welche Rolle spielt dabei die Baumwolle, eine der ältesten Kulturpflanzen der Welt?

Die schmutzige Baumwolle?

Baumwolle ist die beliebteste Naturfaser und steht daher im Mittelpunkt vieler Studien, Untersuchungen oder kritischer Artikel über die Auswirkungen der Textilindustrie auf die Umwelt. Auch die EU hat sich mit dem Green Deal und der Ökodesign-Verordnung der Baumwollfaser und anderen Naturfasern angenommen.

Das weltweit beliebteste und meistverkaufte Kleidungsstück – das Baumwoll-T-Shirt – steht, auch in diversen EU-Berichten, für Umweltverschmutzung, Flächenverbrauch, hohen Wasserverbrauch und katastrophale Arbeitsbedingungen in den textilen Lieferketten. Der Wasserverbrauch für die Herstellung eines T-Shirts stellen die Kritiker gerne bildlich in Badewannen dar. 

Es wäre dilettantisch zu behaupten, dass die Mode- und Textilindustrie keine negativen ökologischen und sozialen Auswirkungen hat. Dafür gibt es zu viele Belege. Maßlose Überproduktion, zu viele gebrauchte, retournierte oder einfach nicht verkaufte Kleidungsstücke landen auf Textilfriedhöfen in Ghana oder in der Atacama-Wüste in Chile. Vom Abfallkolonialismus ist die Rede.

Gegen das Baumwoll-Bashing 

Aber warum wird Baumwolle, diese wunderbare Naturfaser, so schlecht geredet? Schließlich bestehen rund 70 Prozent unserer Kleidung aus Kunst- und Chemiefasern. Hergestellt aus fossilen Brennstoffen. Ausrangierte Blusen, Pullover oder Hosen aus Plastik bedecken die Strände Afrikas und werden so hart, dass Schildkröten dort nicht mehr nisten können.

Diese vernichtende Kritik an der Baumwolle stößt nicht nur bei mir auf Widerstand. Branchenverbände wie das Internationale Baumwollsekretariat (ICAC), dem auch die Europäische Union angehört, die Bremer Baumwollbörse und viele Experten, Befürworter der Naturfasern, versuchen, die Vorwürfe zu entkräften. Seit einigen Jahren laufen ihre Kampagnen gegen das Baumwoll-Bashing. 

Was ist Nachhaltigkeit?

Niemand muss das Rad neu erfinden! Die Nachhaltigkeit ist seit Jahren klar definiert: 

Keine Armut, kein Hunger, Respekt für alle Völker, Souveränität über lokale Ressourcen, gerechte Reduktion von Treibhausgasen und der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen. Punkt! Die 17 Nachhaltigkeitsziele dürften mittlerweile den meisten Bürgern ein Begriff sein. Dass sie nicht jeder aufzählen kann, ist zu entschuldigen. (Dass die siebzehn Ziele der Agenda 2030 irgendwann Realität werden können, wird immer wieder durch neue Krisen zurückgeworfen.)

Die Bedeutung von natürlichen Pflanzenfasern für die nachhaltige Entwicklung haben die Vereinten Nationen offiziell in der Resolution 78/169 im Dezember 2023 anerkannt. Diese Resolution hebt das Potenzial von Naturfasern hervor, einen Beitrag zur Armutsbekämpfung, zur Ernährungssicherheit und zum Klimaschutz zu leisten, und ruft zu verstärkten Investitionen in die Produktion und Verarbeitung dieser Fasern auf!

Landnutzung

Die Herstellung von Textilien, insbesondere Naturtextilien, erfordert große Mengen an Land. Nun kann man dies als Vorwurf oder einfach als Fakt sehen. Denn Baumwolle wie alle anderen landwirtschaftlichen Erzeugnisse auch, benötigen grundsätzlich Flächen. Aber 2/3 der landwirtschaftlichen Fläche weltweit ist für Tierhaltung und Tierfutter bereitgestellt. Inzwischen ist den meisten Menschen klar, dass die Haltung von Kühen und Schweinen zu den Faktoren gehört, die den Klimawandel besonders negativ beeinflussen.

Von der Baumwollproduktion leben 24 Millionen Bauern, fast die Hälfte davon sind Frauen. Und die meisten von ihnen sind keine Großplantagenbesitzer, sondern sie besitzen durchschnittlich nur 1,3 Hektar Land und machen rund 65 % aller Baumwollproduzenten aus. 

,Wenn die Europäische Umweltagentur davon spricht, dass Baumwolle „große Landflächen“ beansprucht, meint sie in Wirklichkeit viele, viele kleine Flächen, auf denen eine große Zahl sehr armer Menschen lebt. Wenn diese Menschen Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung, Transport, Elektrizität, fließendem Wasser etc. haben wollen, brauchen sie Geld. Baumwolle ist ihre cash crop‘ (Veronica Kassatly Bates). 

Mali, Benin und Burkina Faso sind die größten Baumwollproduzenten Afrikas, einem der ärmsten und am stärksten von Klimawandel betroffenen Kontinent. (GiZ, 2019)

Baumwolle nimmt nur 3 % der weltweiten landwirtschaftlichen Nutzfläche ein – und deckt doch 27 % des weltweiten Textilbedarfs. In den letzten 50 Jahren ist die weltweite Anbaufläche für Baumwolle relativ konstant geblieben, während die Menge der produzierten Fasermenge gestiegen ist. Mit anderen Worten: Die Baumwollerzeuger produzieren mehr Baumwolle, ohne mehr Land zu bepflanzen (ICAC).

Allein in Deutschland landen jährlich 1,7 Tonnen Backwaren in der Tonne. Dafür werden 398.000 ha Ackerland benötigt, was der Fläche von Mallorca entspricht.

Wasserverbrauch

Sobald man sich über die negativen Auswirkungen der Textilindustrie auf die Umwelt unterhält, kommt das Gespräch automatisch auf den Aralsee und den hohen Wasserverbrauch der Baumwollpflanze. Der Aralsee ist fast vollständig ausgetrocknet. Das ist Fakt. Doch über die tatsächlichen Ursachen für diese Umweltkatastrophe weiß kaum jemand Bescheid. 

Baumwolle ist eine trockenresistente Pflanze, die nur in den ersten Wochen nach der Aussaat mehr Wasser benötigt. Meistens handelt es sich dabei um Regenwasser oder die Baumwolle wird durch intelligente Systeme durch Tröpfchenbewässerung künstlich bewässert. Durch Verzicht auf den Baumwollanbau im globalen Süden stünde der lokalen Bevölkerung nicht mehr Wasser zur Verfügung. 

Der Wasserverbrauch auf Baumwollfeldern in Indien oder Afrika hat übrigens keinen Einfluss auf den Wasserverbrauch in Europa oder den USA. Treibhausgase hingegen haben globale Auswirkungen. Auf uns alle!

Dennoch wäre ein verschwenderischer Umgang mit Wasserressourcen im Baumwollanbau fatal und nicht zu entschuldigen. Investitionen in marode Bewässerungssysteme in den Aralstaaten wären sehr sinnvoll und begrüßenswert.

Die globale Klimakrise hat enorme negative Auswirkungen auf die Baumwollproduzenten. Zunehmende Hitze beeinträchtigt die Qualität der Baumwollfasern und macht sie anfälliger für Krankheiten. Die klimabedingten verheerenden Überschwemmungen in Pakistan 2022 haben nicht nur über 1000 Menschen das Leben gekostet. Fast die Hälfte der Baumwollernte des Landes wurde vernichtet. Insgesamt sprechen die Medien von Baumwolle im Wert von 2,6 Milliarden Euro, die durch die heftigen Regenfälle vernichtet wurde.

Naturfaser haben keine Konjunktur

Nachhaltigkeit ist in aller Munde, aber Gesetzgeber und Textilindustrie tun sich schwer, die richtigen Strategien zu finden. Wie Veronica Kassatly Bates in ihren fundierten Analysen immer wieder betont: „Es gibt Grund zur Sorge, dass diese Strategien tatsächlich Menschenrechte, unsere Gesundheit und die Umwelt gefährden könnten.“

Jedes Land hat das Recht auf wirtschaftliche Selbstbestimmung und freie Verfügung über ihre natürlichen Reichtümer und Ressourcen. 

Nachhaltigkeit ist nicht nur eine Frage der Interessen des globalen Nordens. Darauf sollten sich Gesetzgeber und Marken konzentrieren. 

Deine Alicja von kapelusch

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